Englischer Originaltitel: The Queen of the Damned (1988)
Klappentext: „Er ist schön wie ein gefallener Engel, doch sein Lebenselixier ist Blut: Lestat de Lioncourt, der ewige Rebell unter den Vampiren, der Jüngling mit den blauen Augen und dem blonden Haar. Seine unerhörten Taten haben die Liebe von Akasha, der Königin der Verdammten, geweckt. Sie, die Urmutter aller Vampire, bricht nach jahrtausendelangem Schlaf mit ihrem geliebten Prinzen Lestat auf, die Welt nach ihren eigenen, archaisch-grausamen Vorstellungen zu gestalten. Bis Lestat erkennt, dass er sich zwischen seinem verzehrenden Verlangen nach Akasha und der Liebe zu den Menschen entscheiden muss.“
In keinem anderen Band der Vampirchroniken tummeln sich so viele Unsterbliche wie in diesem - „Die Königin der Verdammten“ erzählt nicht eine, sondern viele Geschichten. Da ist zum einen die Haupthandlung – Lestats Musik, Akashas Erwachen, Lestats spektakuläre Entführung auf seinem Konzert, seine Liebe zu Akasha, ihre Freveltaten und schließlich die Vernichtung der Königin der Verdammten durch Maharet und Mekare, jene Zwillinge, die sie einst verflucht und ihren Tod vorausgesagt hatten. Umsponnen wird diese Geschichte von vielen kleinen Nebenhandlungen: Marius Verbannung durch Akasha und seine Rettung durch Pandora und Santino; das kurze Leben des Vampir-Junkies Baby Jenks und ihrer Freunde; die Verfolgung und Vampirwerdung Daniels – des Reporters aus „Gespräch mit dem Vampir“ - durch Armand; Jesses und Khaymans Geschichten und schließlich die Legende der Zwillinge.
Falls die Vampirchroniken auf einen Höhepunkt zusteuern, dann ist der wohl mit „Die Königin der Verdammten“ erreicht – immerhin steht die Existenz der gesamten Vampirspezies auf dem Spiel. Die Alten müssen eine Entscheidung treffen – lassen sie Akasha in ihrem Wahn gewähren oder nehmen sie mit dem Tod der Urmutter auch ihre eigene mögliche Vernichtung in Kauf.
Allerdings war für mich nie Akasha, die dem Roman den Namen gibt, die Heldin dieses Buches. Ihre naiv anmutenden Vorstellungen („Rotten wir doch alles Männliche aus und die Welt wird ein besserer Ort!“), gepaart mit sinnloser Grausamkeit, lassen den hochtrabenden Titel der „Königin der Verdammten“ an ihr teilweise lächerlich wirken. Sicher gibt es auch Momente, die ihr zwar keine Sympathiepunkte einbringen, dafür aber dazu beitragen ihren Charakter etwas interessanter zu gestalten – etwa ihre Unsicherheit, ihr verzweifelter Versuch sich selbst zu belügen und sich als empfindsames Wesen zu sehen, oder ihr kalter Wissensdurst, der sie schließlich ins Verderben führt. Und doch kann meiner Meinung nach nichts über ihre kindische Verblendung hinwegtäuschen. Auch der sonst so charismatische Lestat ist schon besser rübergekommen – der „ewige Rebell“ beugt sich Akashas Autorität ohne ein Wimperzucken – ja, er schließt sich zunächst sogar mit Freude dem Amoklauf seiner Geliebten an, ehe er sie – ohne viel Erfolg – von ihren Weltherrschaftsplänen abzubringen versucht.
Viel interessanter kommt dagegen die Versammlung der vampirischen Opposition unter der Führung Maharets daher und die abschließende Blutsauger-Idylle auf Night's Island, Armands Insel vor Miami, wo die „Eremiten der Ewigkeit“ ein paar glückliche Tage miteinander verleben, ehe sie sich wieder trennen. Allein das Auftauchen der vielen liebenswerten neuen und alten Charaktere in diesem Band macht es für mich immer wieder von neuem lesenswert. Besonders Baby Jenks, eine –wie es scheint – der Vampirfamilie von „Lost Boys“ entliehene Figur aus einer verlorenen Generation, gefangen zwischen Rausch und Hysterie, steht in erfrischendem Kontrast zu Rices „herkömmlichen“ Aristokraten-Vamiren, ebenso wie der Reporter Daniel mit seiner zeitgenössischen Unverblümtheit und seiner pragmatischen Gelassenheit. Die Szene, in der Armand ihn mitten in der Nacht aus dem Bett scheucht, damit er ihm die Funktionsweise eines Telefons erklärt, ist – keine Ahnung wieso – eine meiner Lieblingsstellen in „Königin der Verdammten“:
„'Dieses Telefon, ich will, dass du Paris anrufst, ich möchte sehen, ob man damit wirklich mit Paris sprechen kann.'
‚Verdammt noch mal, mach's doch selbst', donnerte Daniel zurück. ‚Du bist fünfhundert Jahre alt und kannst nicht mal ein Telefon benutzen? Was bist du, ein unsterblicher Idiot? Ich wird's jedenfalls nicht tun!'
Armand war platt.
‚Na schön, ich werde Paris für dich anrufen. Aber du zahlst die Rechnung.'“
Letztendlich ist „Die Königin der Verdammten“ ein Buch über Beziehungen, über Freundschaft und der Zugehörigkeit zu einer großen Familie und das ist es auch, was den Zauber dieses Buches ausmacht.
Schade nur, dass Anne Rices Vampire, trotz dieser so menschlichen Themen, immer un-menschlicher werden. Je mehr sie sich durch Alter oder das Blut älterer Vampire tatsächlichen Göttern annähern, desto eher verlieren sie meiner Meinung nach ihre Glaubwürdigkeit. Dass ein Wesen wie Akasha, die – wie Anne Rice selbst schreibt – „zu ebenmäßig schön war, um Intelligenz auszustrahlen“, in der Lage sein soll, die gesamte Menschheit in ihren Bann zu schlagen und Tausende Frauen dazu bringt, ihre eigenen Männer zu killen, wirkt dann doch etwas „aus dem Ruder gelaufen“. Überhaupt wirken Akashas Ritualmorde von Zeit zu Zeit maßlos übertrieben und sinnlos brutal.
Fazit: Trotz einiger Anzeichen, dass Anne Rice ein wenig die Kontrolle über ihr Vampir-Pantheon zu verlieren beginnt, hat „Die Königin der Verdammten“ meiner Meinung nach durchaus ihren Status als Höhepunkt der Vampirchroniken verdient. Schon deshalb, weil wir über viele Vampire niemals mehr so viel erfahren werden wie in diesem Buch, ist dieser Band für alle Vampirchroniken-Liebhaber ein absolutes Muss!
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