Die Dreharbeiten zu „Interview mit einem Vampir“ stehen
nicht gerade unter dem besten Stern. River Phoenix, der die Rolle des Reporters übernehmen soll, stirbt noch vor Drehbeginn
an einer Überdosis Drogen – dem Abspann folgt eine Widmung an den jung verstorbenen Schauspieler. Anne Rice, die selbst
das Drehbuch für die Verfilmung ihres Romans liefert, reagiert angeblich allergisch auf die Idee, dass Tom Cruise die Rolle
ihres geliebten Lestat übernehmen soll, für die sie sich River Phoenix erhofft hatte – als sie Cruise später in der
Rolle sieht, revidiert sie übrigens ihr Urteil über den Mission-Impossible-Star. Brad Pitt hasst jeden einzelnen Tag am Set
und stöhnt über Louis’ ewige Depressionen.
Fast ein Wunder, dass ein Film unter diesen Bedingungen
zu einer Art Kultfilm aufsteigen kann. 1995 bejubeln 6000 bis 8000 eingefleischte Anne-Rice-Fans auf einer Veranstaltung des „Anne Rice Lestat Fanclubs“ den Kinostart der Romanverfilmung.
Für mich persönlich ist „Interview mit einem
Vampir“ eine der wenigen Buchverfilmungen, die es nicht nur mit dem Roman aufnehmen können, sondern ihn sogar beinahe
übertreffen.
Tom Cruise mit blonder Perücke IST Lestat de Lioncourt,
der Flegelprinz, der Tod in Samt und Seide, der provokative Dandy mit dem zynischen Witz. Wenn er sein morbides Spiel mit
einer New Orleaner Hure treibt und ihr ihren Sarg unter der Tischdecke enthüllt, wenn er mit der Miene eines verstimmten Vaters,
dessen Töchterchen ein Glas Milch verschüttet hat, Claudias verschwenderischen Verzehr an Klavierlehrern und Näherinnen bemängelt
(„Du solltest etwas praktischer denken, Chérie“), fängt er den Zuschauer genau dort, wo er ihn haben will:
irgendwo zwischen Faszination und Pikiertheit. Auch der gefrustete Brad Pitt als Louis überzeugt – auch wenn es ein
bisschen weniger Make-up auch getan hätte – bei zu viel Licht erinnert sein Anblick halsaufwärts an einen übermäßig
gepuderten Streuselkuchen. Am beeindruckensten aber ist die Vorstellung der jungen Kirsten Dunst, die mit bewundernswerter
Leichtigkeit ihre Rolle zwischen Kind und Frau, zwischen Puppe und Vampir, zwischen kaltblütiger Killerin und liebenswürdiger
Tochter ausspielt. Bloß die Idee, dass ein Antonio Banderas mit seinem spanischen Akzent (als Vampir an sich ja
sehr überzeugend) doch die ideale Besetzung für den mit siebzehn Jahren mutierten Botticelli-Engel Armand sein müsste, ist
nicht unbedingt nachvollziehbar – offenbar war den Machern Anne Rices Armand als Mentor-Figur zu jugendlich– schade,
aber na ja.
Zur Handlung gibt es nicht viel zu sagen –
lest das Buch! Wo der Film vom Roman abweicht (Auslassung der Erlebnisse Louis’ und Claudias in Osteuropa, Wegfallen
der Geschichte um Louis’ toten Bruder, Lestats fehlendes Auftauchen im Théâtre des Vampires...) ist es nötig, um die
Handlung kohärent zu halten. Die Schlussszene, in der Lestat Daniel, den Reporter, auf der Golden Gate Bridge im Auto beim
Anhören des aufgenommenen Interviews überrascht („Hast du genug gehört? Ich musste mir das Jahrhunderte lang anhören!“)
steht in wunderbarem Kontrast zu dem nihilistisch-hoffnungsleeren Strich, den Louis gerade unter sein Leben gezogen hat. Die
Message, untermalt von einer provokant-grotesken Guns’n’Roses-Interpretation von „Sympathy for the Devil“,
könnte klarer nicht sein: Lestat is back!
Und wo wir gerade bei Musik sind... Wo Anne Rice
ihre Finger im Spiel hat, dürfen klassische Pianoklänge natürlich nicht fehlen: Bezaubernd düster zucken Klänge von Händel,
Haydn & Co durch den Kinosaal, wenn „Lestat aus dem Sumpf“ als Vorspiel seiner Rache an Claudia eben jenes
Stück auf dem Klavier hämmert, das er kurz vor seinem „ersten Tod“ durch seine hasserfüllte Tochter spielte.
Zuletzt soll noch das Phänomen der „grausamen
Sonne“, das in "Interview mit einem Vampir" so überzeugend herausgestellt wird, nicht unerwähnt bleiben. Grauen und Angst wird in diesem
„Horrorfilm“ (wenn sich „Interview“ überhaupt in diese Schublade stecken lässt) nicht durch die Nacht,
durch Dunkelheit und Schatten symbolisiert, sondern gerade das Licht des Tages bringt eben den Tod (siehe die schleichend
greller wachsende Sonne bei Claudias Hinrichtung oder das Scheinwerferlicht, das Lestat in Panik versetzt) – ein netter
Hinweis auf die vampirische Ironie, die den ganzen Film durchzieht.
Zuletzt noch ein paar Worte zu den DVD-Extras: Vorwort
und Making Of enthalten keine wirklich interessanten Informationen außer vielleicht ein paar Statements zu den Visual und
Special Effects; aber immerhin – der Trailer hat es in sich;-)
Fazit: Was soll ich noch sagen? War meine Rezension nicht Lobeshymne
genug? Jep, dieser Film ist absolut sehenswert und das sage ich nicht (nur), weil ich ein verblendeter Vampirfan bin;-)
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